Werner Heisenberg Gymnasium Riesa 

mathematische Gedichte

mathematische Gedichte

 

Stossgebet für einen Casio-Geschädigten

Taschenrechner Unser,
der du bist in der Tasche,
geheiligt seien deine Batterien,
meine Eingabe komme,
dein Wille geschehe,
wie im Speicher,
so auch auf dem Display,
unsere tägliche Graphen
gib uns heute
und vergib uns unsere Fehler
obwohl wir denen nicht vergeben,
die uns mit 0 Punkten lohnen.
Lass uns nicht zu lange warten
und erlöse uns von schwierigen Aufgaben,
denn dein ist die Schule,
und die Macht und die Schüler,
in Ewigkeit.

EXE

 


Predigt an den Cotangens

Bei dir ist alles Mahnen,
o Cotangens vertan,
Du gleitest, hochgeboren,
hinab die schiefe Bahn.

Zwar bremst Du dazwischen dein Sinken,
als packe dich heilsam die Reu,
doch kurz nur währt die Besinnung,
und hemmungslos fällst du aufs neu.

Doch wenn du bis minus Unendlich
gestürzt bist, du haltloser Tor,
dann hebt dich ein rettender Zauber
auf plus Unendlich empor.

Und wieder in lichten Höhen
erscheinst du wunderbar,
doch dann gleicht dein n-tes Leben
dem (n-1)ten aufs Haar.

Du lernst nichts aus der Geschichte,
du läufst im alten Trab,
unendlich oft wirst du gehoben,
unendlich oft stürzt du hinab.

 


Das Lied der Funktionen f(z)

Ich bin aus der klassischen Schule,
und ich bekenne es frei:
Ich habe nur eine Variable
und bin ihr winkeltreu.

Ich habe nur eine Variable,
die ist so lieb und nett,
ihr bleibe ich stetig verbunden,
ihr, meinem einzigen Zet.

Ich habe nur eine Variable,
(in Münster da nennt man's "trivial"),
der bleibe ich ich zugeordnet
als brave komplexe Zahl.

Ich habe nur eine Variable,
die meine Schritte lenkt,
ich wandre mit ihr durch Gebiete
und bin dort mitunter beschränkt.

Mag sein, dass die Winkeltreue
mich an manchen Stellen geniert,-
doch was da auch möge passieren,
bleibt jedenfalls isoliert.

Ich habe nur eine Variable,
die lieb ich wie einst im Mai,
und bin - das lässt sich beweisen -
fast immer winkeltreu!

 


Der Einer

Einst höhnten natürliche Zahlen
(sie glaubten, weiß Gott was zu sein)
den alten wehrlosen Einer;
er war ja so arm und so klein.
Da sprach der verachtete bitter,
vom Scherz solchen Schimpfes gebeugt:
"Ihr undankbaren Geschöpfe -
und ich hab euch alle erzeugt!"

 


Die Intervallschachtelung

Es konvergieren Intervall-
schachtelungen überall.
Nach wen'gen Termen
sieht man schon
den Fehler
kleiner
Epsi-
lon
e
.
 


Das Mammutprogramm


Wenns Samstag Nacht ist und der Mond
das Rechenzentum still bewohnt,
dann schleicht vom Speicher heimlich klamm
das Mammutprogramm.

Es stopft die ganze CPU,
Peripherie und Speicher zu...
Und ruhig rechnet wie ein Lamm
das Mammutprogramm.

Der Op'rateur, sein böser Geist
ist nämlich wochenends verreist.
Wohl ihm! Bald steht schon in der ZAMM
das Mammutprogramm.

 


Stolz und Neid der Zahl N


Ich bin die Zahl N, bin edel und frei,
mit Recht von stolzestem Sinn,
ich stehe sehr hoch in der Zahlenreih
und weiß, wie groß ich bin.

Es ist der Zahl der Atome im All
ein Epsilon nur gegen mich,
ich bin ein ganz besonderer Fall,
das große N, eben ich!

Nur eines frisst am Nerv meines Seins
und quält mich mit ständigem Stich:
Die Nachbarin nämlich, die N+1,
ist leider noch größer als ich.

Bedenke ich dieses, so packt mich ein Neid
erdrückendsten Gewichts:
Ich fluche auf meine Groß-N-igkeit
und wünschte, ich weste als Nichts.

 

 

 

Quelle: "Humor in der Mathematik"