Atlanta
2024 - Schüleraustausch
Der Schulball dieses Jahr war aus stimmungstechnischer Sicht ein voller Erfolg. Mit Moshpits, Choreografien und ansteckender guter Laune haben wir dies dem Organisationsteam, aber auch unseren Gästen aus Atlanta zu verdanken, die uns im Mai 2024 besucht haben.
Der Austausch begann mit den üblichen Sorgen: Werden sich die Amerikaner bei uns wohlfühlen? Werden wir uns gut verstehen? Und was ist mit der Sprachbarriere?
Aber spätestens, als wir sie dann am Hauptbahnhof abgeholt haben, um eine Stadttour zu machen, haben sich unsere Bedenken in Luft aufgelöst. Viele von uns fanden während der Zeit neue Freunde, Schwestern und vor allem Erinnerungen, die wir so schnell nicht wieder vergessen werden.
Die Amerikaner sollten in Deutschland untersuchen, wie man sich hier an die Vergangenheit erinnert, und sie hatten ein volles Programm in verschiedenen Museen und Denkmälern. Obwohl sie also schon vormittags mit sehr viel Wissen konfrontiert wurden, waren sie immer noch wissbegierig exotische Wörter wie „krass“ oder „mega“ zu lernen. Diese wurden dann auch in jedem 3. Satz vorbildlich mit in den Sprachgebrauch eingebaut, egal ob es im Zusammenhang Sinn ergab oder nicht.
Es gibt viele Erinnerungen, die wir aus dieser Woche mitgenommen haben, zum Beispiel die gemeinsamen Autofahrten, auf denen Playlists mit den Lieblingssongs erstellt wurden. (Ich hab gehört zu Wannabe gibt es sogar eine Tanz-Choreografie?)
Eine der größten Attraktion schien vor allem für Karl aus Atlanta auch der New Yorker in der Altmarktgalerie zu sein. Die Preise waren im Vergleich zu Amerika scheinbar so günstig, dass er sich entschied, dort mehrere Tüten an neuen Klamotten zu kaufen. Eine richtige Shoppingqueen!
Von einer Wanderung in der sächsischen Schweiz, über ein Picknick im Großen Garten bis zur Fête de l’Europe haben wir viele Sachen zusammen erlebt. Im Endeffekt war es aber relativ egal, was wir gemacht haben, weil mit unseren Gästen eigentlich alles Spaß gemacht hat. Selbst ich, die keinen zugewiesenen Partner hatte, habe mich dabei nie wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt, dafür waren die Amerikaner viel zu offen und freundlich.
Das Highlight der Woche war dabei der letzte Tag ihres Aufenthalts: der Schulball. Vorher waren wir erstmal im Schulclub und haben dort eine Abschiedsfeier gemacht. Dann ging es auch schon zu den Vorbereitungen für den Dancefloor, und uns wurde beigebracht, wie man zu Cotton Eye Joe tanzt. Auf dem Schulball selbst hat Ari dann ihre Erfahrung von zahlreichen Konzerten genutzt und sofort das Eis gebrochen, was Party machen angeht. Ich glaube, ohne sie und die anderen, wäre uns der Abend nicht so sehr in Erinnerung geblieben, und meine Füße hätten danach sehr viel weniger wehgetan.
Wir können unseren Flug nach Amerika im Oktober schon gar nicht mehr erwarten. Von den Austauschschülern wurden uns schon Geschichten von der Woodward Academy erzählt, die wie es aussieht, für eine ganz eigene Gangart bekannt ist. Um diese zu meistern, scheint es wichtig zu sein alle 4 Sekunden stehen zu bleiben und so viele in ihrem Weg zu behindern wie möglich. Wir sollen auch unbedingt mal die amerikanischen Süßigkeiten probieren, denn unsere sind nicht süß oder sauer, die sind höchstens „mild“.
Aber mal im Ernst, wir freuen uns sehr die Amerikaner wiederzusehen und vor allem etwas über ihre Kultur und Lebensweise zu erfahren. Für viele von uns ist es das erste Mal in Amerika, aber ich glaube, mit unseren neuen Freunden wird die Zeit, um es mit Johnnys Worten zu sagen: „Mega“.
Wir in Atlanta
Milla: Anfang Oktober dieses Jahres ging es für zwölf Schülerinnen und Schüler mit einer etwas chaotischen Hinreise in die USA, nach Atlanta. Während des Landeanfluges sahen wir viele Hallen, Straßen und Suburb Areas, in diesem Moment realisierten wir, dass wir nun wirklich in den Vereinigten Staaten waren und das Abenteuer nun starten sollte. An der Schule wurden wir dann sehnsüchtig von unseren Austauschpartnerinnen und Austauschpartnern der Woodward Academy erwartet. Sie mussten sich vermutlich genauso fühlen, wie wir im Mai, als sie zu uns gekommen waren. Uns sollten zwei ereignisreiche Wochen erwarten, welche wir vermutlich niemals vergessen werden und die auch schwer vollständig zu beschreiben sind. Wir, Milla und Leo aus der elften Klasse, wollen euch nun über einige Ausschnitte des Austausches berichten.
Vorab sei gesagt, dass der Großteil der Familien, bei denen wir bleiben durften, wahrscheinlich eher der oberen Mittelschicht angehören. Das ist schon allein daran zu erkennen, dass die Woodward Academy eine Privatschule ist und im Jahr rund 34.000 Dollar kosten kann. Deswegen können wir davon ausgehen, dass der Lebensstil sich von anderen amerikanischen Familien unterscheidet, wahrscheinlich auch hinsichtlich des Essverhaltens. Ich möchte also im Vorhinein klarstellen, dass die Esskultur sich vermutlich von Einkommensschicht zu Einkommensschicht unterscheidet und ich in dieser Beziehung nur für „meine“ Familie sprechen kann.
Mein Gastvater versicherte mir nämlich, dass sie normalerweise jeden Tag kochen würden und dazu auch noch gesund und experimentell.
Den Preisen im Supermarkt nach zu urteilen, kann sich das aber nicht jede Familie leisten, denn frisches Gemüse ist zunächst nicht in großen Mengen vorhanden, und eine Packung Tomaten kostete schon einmal 10 Dollar.
Auffällig war, dass in vielen Supermärkten die Regale mit Obst und Gemüse leer waren, sie wurde auch nicht erkennbar wieder aufgefüllt.
Jedenfalls kochten wir während meines zweiwöchigen Aufenthalts nur zweimal; es war eine schöne gemeinsame Aktivität und schmeckte natürlich auch fantastisch.
Bei Leos Gastfamilie wurde einmal gekocht, ein Frühstück bestehend aus Bacon, Pancakes und Kartoffeln. Es war sehr lecker aber auch leider die einzige selbst gekochte Speise. Normal war es hingegen, tiefgefrorene Speisen aufzuwärmen oder einfach zu bestellen. Ich aß zwar vom Porzellanteller, trank aber aus einem Plastikbecher und nutzte meist Plastikbesteck, welches beides nach einmaliger Benutzung weggeworfen wurde.
Trotzdem konnten wir schnell nach- vollziehen, warum viele amerikanische Familien es bevorzugen in eine kleine Fastfoodkette essen zu gehen, anstatt eine große Summe an Geld für eine ausgewogene Ernährung auszugeben. Es ist definitiv einfacher und nicht ganz so kostspielig. Es ist kaum vorstellbar, wie viele Fastfood- Restaurants allein in Atlantas Umgebung existieren: „Popeyes“ reihte sich nahezu lückenlos an „McDonalds“ und „Wendys“, daneben wieder „Popeyes“ und direkt danach „Chick-Fil-A“ und so weiter und so fort… Man musste gar nicht lange suchen, egal, wo man sich befand, in einem 100- Meter- Radius fand man bestimmt fünf Fastfood- Restaurants. Wir probierten einige aus und ich kann festhalten: Es ist alles das Gleiche. Die gleichen Waffeln werden bloß mit verschiedenen Namen beworben, genauso die Burger und alles andere. Leider war es trotzdem lecker.
Natürlich probierten wir nicht nur Fastfood. Normale Restaurants, die keinen Ketten angehören, sind unterscheiden sich nicht sehr von unseren. Nur die Portionen waren größer und man bekam stets Wasser umsonst. Ein Unterschied war auch, dass Kellner sich immer mit ihrem Namen vorstellten und die Gäste ihn im Laufe des Abends auch mit diesem ansprachen. Diese Mentalität der Menschen überraschte mich sehr.
Amerikaner sind grundsätzlich fröhlichere Menschen, jedenfalls empfanden wir es so. Man wurde stets mit einem Lächeln empfangen und es entstanden häufig spannende Gespräche mit Fremden, was wir uns in Deutschland in diesem Ausmaß schwer vorstellen können.
Mit dieser amerikanischen Freundlichkeit wurden wir auch in der Schule empfangen. Es wurde das Oktoberfest gefeiert, um uns willkommen zu heißen, aber natürlich auf amerikanische Weise, mit Root Beer und amerikanischen Würsten. Die Schüler waren alle sehr interessiert und wir wurden von mehreren Gruppen angesprochen, die uns fragten, wie wir in Deutschland leben und was in Amerika anders ist. Es war ein wunderbares Erlebnis und wir standen erstmals im Austausch mit Teenagern außerhalb des offiziellen Programms.
Die Woodward Academy ist definitiv größer als das Hans-Erlwein-Gymnasium; pro Jahrgang besuchen 800 Schüler die Akademie, die gesamte Schüleranzahl konnte ich aber nicht wirklich herausfinden, denn zur WA gehören neben der High School auch Kindergarten, Grundschule und Junior High School.
Auch das Gelände ist viel größer, man könnte es schon fast als Campus bezeichnen. Es gibt mehrere Hauptgebäude, eine Bibliothek, Sportplätze, ein Schwimmbad und ein eigenes Museum, wo man die Geschichte der Schule entdecken kann.
Anders als andere amerikanischen High- Schools, ist die Woodward Akademie schon etwas älter.
Sie wurde 1900 von John Charles Woodward gegründet, war zuerst eine Militärschule und hieß "Georgia Military Academy“. In den 1960er Jahren wurde sie in den heutigen Namen umbenannt und öffnete erstmals die Türen für weibliche Schüler. Das Motto lautet bis heute: „Excellence, Character, Opportunity.“ All das durften wir lernen, als wir am fünften Tag das schuleigene Museum besuchten.
Auch das Schulsystem unterscheidet sich von dem deutschen. Während bei uns die weiterführende Schule nach der Grundschule acht Jahre umfasst, ist sie in Amerika in Junior High School und High School unterteilt. Es gibt sechs Fächer, die belegt werden müssen und die in Blöcken von A bis F unterrichtet werden, immer in der gleichen Reihenfolge. Da diese sechs Blöcke aber nicht alle in einen Tag passen, verschieben sie sich und der Tag beginnt nicht immer mit einem A-Block, was für mehr Abwechslung in der Woche sorgt.
Diese Fächer kann man sich am Anfang des Schuljahres selbst aussuchen, wobei einige Fächer natürlich Pflicht sind. Ich bekam jedoch den Eindruck, dass dieses Schulsystem den Schüler mehr als Individuum wahrnimmt. Der Schüler kann sich mehr an seinen eigenen Interessen orientieren und wird in seinen Stärken gefördert, weshalb der Schüler motivierter in den Schultag startet.
Dadurch leidet aber die Allgemeinbildung. Schüler müssen zum Beispiel nur ein Jahr Geschichte belegen und in dieser kurzen Zeit kann man kaum all das lernen, was wir als wichtig erachten würden.
Und trotzdem lernten wir während unseres zweiwöchigen Aufenthaltes viel. Unser Schulalltag als Austauschschüler bestand aus Ausflügen am Vormittag und Unterricht am Nachmittag.
Leo: Während der Ausflüge lernten wir auch den amerikanischen Verkehr kennen. Die breiteste Straße, welche wir befuhren, war siebenspurig. In einer Richtung! Allgemein waren die Straßen schlechter, aber breiter und Leitplanken sah man bis auf wenige Ausnahmen nicht. Überholmanöver kamen auf dem Highway von allen Seiten, dies erschütterte uns sehr. An einem Tag zählte ich die Menge an Polizeiautos und kam auf eine Zahl von mehr als 30 Autos. Mein Gastvater erzählte mir, dass 30 noch wenig seien.
Durch die Teilung des Tages konnten wir, unabhängig von der Schule, die Geschichte Amerikas und Atlantas kennenlernen und außerdem einen ganz genauen Blick in eine amerikanische High School werfen.
Wir machten auch einen Ausflug in die Natur, es ging zum Stone Mountain. Es handelt sich um einen riesigen Felsen in flacher Landschaft. Wir bestiegen ihn und es öffnete sich ein weiter Blick auf Atlanta. Am Horizont konnte man bereits die Ausläufer der Appalachen erkennen, sofern man nicht wie Milla die Brille vergessen hatte. Auf der Nordseite befindet sich ein großes Relief. Es zeigt Jefferson Davis, den ehemaligen Präsidenten der Südstaaten und zwei weitere Männer. Die Schwierigkeit liegt darin, dass Jefferson für den Erhalt der Sklaverei war. Nun gibt es viele Debatten, wie man mit solchen Denkmälern umgehen soll.
Die Ausflüge waren aber besonders auf die afroamerikanische Geschichte fokussiert. So besuchten wir zum Beispiel das Civil Rights Museum oder waren an der Martin Luther King Jr. Gedenkstätte.
Wir durften das Geburtstaus von Martin Luther King Jr. besichtigen, die Ebenezer Baptist Church, in welcher er erstmals predigte und weitere bedeutende Orte, die mit seiner Geschichte verbunden werden. Es war spannend, so viel Neues über diesen Abschnitt der Geschichte zu lernen sowie die Hintergründe und Abläufe der Bürgerrechtsbewegung.
Wir wurden durch ein afroamerikanisches Viertel geführt, es war einst die wohlhabendste schwarze Nachbarschaft in ganz Atlanta und man konnte noch vereinzelt den Glanz der alten Tage erkennen. Mit dem Bau eines Highways direkt durch das Wohngebiet verbreitete sich Armut und heute kann man zwischen den Häusern Zelte und Camps von Obdachlosen sehen.
Was uns auffiel: Unser Tourguides sprach von einer gelungenen Bewegung und wir besuchten diese ganzen glorreichen Denkmäler, welche Martin Luther King Jr. gewidmet waren - aber überall sah man Armut und Obdachlosigkeit, überwiegend bei Afroamerikanern. Es ist wichtig, die Geschichte zu ehren und trotzdem muss uns bewusst sein, dass immer noch Ungerechtigkeit und Rassismus herrscht. Mir persönlich kam es so vor, als wollte Amerika diese drängenden Probleme mit den Erfolgen der Vergangenheit überdecken.
Es war gut, all das auch einmal mit eigenen Augen zu sehen und nicht nur durch die Filter der sozialen Medien. All diese Ausflüge waren sehr lehrreich und ich bin froh, dass sie für uns organisiert wurden. Insgesamt war es ein einzigartiges Erlebnis und faszinierend, ein anderes Land mit anderen Kulturen und Eigenheiten kennenzulernen. Wir konnten viele großartige Leute kennenlernen und sind dankbar für jeden, der uns ein Stück in ihr Leben gelassen hat.
Wir können diese Erfahrung jedem weiterempfehlen. Sie kann das eigene Leben nur bereichern und hat uns alle aus unserer Komfortzone herauskommen lassen.
Wir bedanken uns bei allen Beteiligten, vor allem aber bei unseren Englisch-Lehrerinnen Frau Cossa und Frau Funke!