Rezension zum Theaterstück Macbeth

von Elisabeth Lachs, Leistungskurs Deutsch 11/2
 

Am 31.10.2022 besuchten die Schüler und Schülerinnen des Leistungskurses Deutsch 2 mit ihrem Lehrer, Herrn Dr. Richter, das Theaterstück „Macbeth" im Staatsschauspiel Dresden.

Skrupellosigkeit für Machtgewinn  und kaltblütiges Morden für Erfolg - in dem von Christian Friedel am 11. September 2022 erstmals aufgeführtem, neuinszenierten Theaterstück „Macbeth", geschrieben 1608 von Shakespeare, handelt die Geschichte von der Ermordung des schottischen Königs Duncan durch den Feldherrn Macbeth, der sich als dessen Nachfolger zum Tyrannen entwickelt.

Macbeth, der Protagonist und gleichzeitig Königsmörder, wird von seinen wichtigsten Unterstützern, seiner Frau Lady Macbeth und drei Hexen, angetrieben, seine bösartigen Handlungen zu vollstrecken.
Dies hat letztlich die Auflösung der staatlichen Ordnung zur Folge, welche erst durch Macbeths´ Tod und die Einsetzung eines rechtmäßigen Königs wiederhergestellt werden kann.
 
Mein erster Eindruck war erfüllt mit großer Begeisterung über die düstere Atmosphäre, die u.a. durch verschiedene Licht- und Klangeffekte erzeugt wurde. Bühnenbildnerisch erscheint die Szenerie rau und industriell, was die an sich schaurige Wirkung intensiviert.

Erschütternd, verstörend, düster, laut und grotesk sind Eindrücke, die mir zunächst als Zuschauerin spontan in den Kopf strömten. Doch was sind die Ursachen für solch eine Wirkung?

Die Lichteinflüsse mithilfe von effektreicher Regie sind beeindruckend. Neben den sich hebenden, senkenden, verschiebenden und drehenden Bühnensegmenten wird mit Gegenlicht, Nebel und Beleuchtung des ganzen Theatersaals gearbeitet. Deutlich erkennbar ist dabei eine direkte Verzahnung der Lichtführung mit der Gesamtregie des Stückes. Dabei ergibt sich ein perfektes Zusammenspiel von Schauspielern, dem Klangkorsett und der Videoinstallation auf einer Riesenleinwand. Alle Tricks, die das Theater auf Lager hat, sind erfolgreich ausgenutzt worden. Besonders auffällig erschien mir die konsequente optische Ausweitung des Bühnenraumes bis in den Zuschauerraum. Die Lichttechnik ist entscheidend für diese Wahrnehmung.

Unter dem Aspekt des Farbkonzeptes bzw. von der visuell - künstlerischen Betrachtung her ist mir aufgefallen, dass Requisiten und Bühnenbild (oft die Kleidung der Akteure oder die gesamte Bühne) situationsbedingt die Farbe ändern. Dies geschieht zusammenhängend mit der Änderung der Grundstimmung der aneinander montierten Szenen. Trauer und Verlust, beispielsweise im letzten Akt, als Lady Macbeth um ihren verstorbenen Gemahl trauert, wird schwarz dargestellt, nur Lady Macbeth beleuchtet. Kampf oder Aggression werden dagegen mit grell – roten Lichtern unterlegt.

Die Choreografie und die Tänzer sind hervorragend. Abwechslungsreich und kontrastiv- vom scheinbar völlig unkontrollierten Gezappel bis hin zum geordneten und synchronen Gruppentanz ist alles dabei. Die Tänze erzeugen ganz unterschiedliche Wirkungen, zum Beispiel Furcht und Unberechenbarkeit, als die drei Hexen und Lady Macbeth versuchen, ihre Manipulationsstrategien für die Anstiftung zum Mord listenreich in die Tat umzusetzen.

Langweile trat an keinem Punkt des Stückes auf. Der Grund dafür ist, wie ich es im Nachhinein festgestellt habe, dass Friedels Band „Woods of Birnham“ die in die Handlung eingefügten  Stücke passgenau komponiert und überzeugend darbietet.

Das Theaterstück wirkt beinahe konzert- oder musicalhaft, was ich durchaus nicht als schlecht empfinde. Im Gegenteil trägt dies zu einer unkalkulierbaren Spontaneität des Stückes bei, denn man weiß nie, wie der nächste Akt lichttechnisch, tänzerisch und akustisch dargestellt werden würde.
So wie Shakespeare versucht Friedel, die unterschiedlichen Spielarten und Facetten des Bösen herauszuarbeiten, mit dem Resultat, dass die für Jugendliche oft trocken und langweilig anmutenden Originaltexte von Shakespeare durch die musikalisch - tänzerische Ebene unglaublich an Modernität und Aktualität gewinnen.

Dabei ist deutlich zu spüren, dass der Regisseur sich vielmehr auf die Inszenierung/Illustrierung und das perfekte Zusammenspiel von Sprache, Choreografie, Ton und Licht als auf die reine Textebene konzentriert, um das psychologische Potential des Stückes sowohl intellektuell als auch sinnlich-emotional auszuleuchten.

Macbeths Verstörung und Reue sind ihm oft anzumerken, er wird jedoch von seiner skrupellosen Frau, Lady Macbeth, weiter angetrieben, mit den moralisch abgründigen und abstoßenden Aktionen fortzufahren. Was deutlich sichtbar gemacht wird, ist die Tiefe des emotionalen Abgrunds des Tyrannen.

Ein Kritikpunkt ist jedoch, dass es zu selten Variabilität bzw. Nuancierung im Sprechgestus der Hauptfigur gibt. Eine Differenzierung der Stimmlage und der Sprechlautstärke, wie man es für ein Drama erwartet, fehlt mir. Macbeth spricht immer laut, regelrecht dramatisch bis hysterisch. Aber das Böse kann auch flüstern, es kann leise und subtil sein. Die Botschaft des Stückes, nämlich dass Machtgier und Neid offensichtlich Grundmuster menschlichen Handelns sind, wird regelrecht übertönt. Friedel ist in dieser Hinsicht offenbar mehr an Effekten als an Tiefgang interessiert.   

Ich persönlich empfinde es auch als fragwürdig, so große Textlücken bei der Inszenierung des Stückes zu lassen, denn das Verständnis von Figurenkonstellationen, Figurencharakterisierung und Handlung verliert sich, wie im Regietheater oft, zu Gunsten des Gestaltungswillens eines Regisseurs, noch dazu, wenn man kein eingelesener Macbeth – Fan ist.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass,  auch wenn das nuancenreiche Charakterspiel und die Geschlossenheit der Handlung etwas zu kurz kommen, dies von der fesselnden Darstellungsweise mit den vielschichtigen Ebenen des modernen Theaters überwogen wird.

Wer eine intensive Erfahrung mit großartiger Geräuschkulisse, schauriger Atmosphäre und drastischer Bühnenaktion erleben möchte, dem empfehle ich dieses Theaterstück unbedingt. Ich würde mir das Stück jederzeit erneut anschauen.