Der Schuldiener

... Hermann Lorenz am 23. Juni 1908 musste sich mit Hilfe der Gendarmen des III. Reviers im 17. Bezirk mit einer äußerst rätselhaften Angelegenheit auseinandersetzen. Dem entsprechenden Protokoll der Königlichen Polizei - Direktion lässt sich entnehmen.

In der Nacht vom 19. zum 20. und vom 22. zum 23.6.08 seien in zwei verschiedenen Klassenzimmern je 1 Holzkasten, der zur Aufnahme von Papierresten dient, ausgebrannt und zum Teil verkohlt. In beiden Fällen sei das Feuer von selbst wieder verloschen und erst früh beim Betreten des Klassenzimmers durch die betreffenden Lehrer, welche durch den Brandgeruch aufmerksam geworden seien, sei der Brandherd entdeckt worden. Lorenz, sowie dessen Ehefrau teilten mir mit, dass sie beim Reinigen und Abschliessen der Schulzimmer gegen 700 N. keinerlei Wahrnehmungen von einem Brand gemacht hätten.

Ausser ihnen sei nur noch der im Erdgeschoß wohnende Heizer Freudenberg im Besitze eines Hauptschlüssels und es könne somit niemand weiter die Schulzimmer betreten. Freudenberg ist z.Zt. am Tage in der städtischen Ausstellung beschäftigt und kehrt erst nach Schluss derselben nach Hause. Einen Verdacht gegen irgend eine Person vermochte weder der Schuldirektor Uhlig, sowie der Schuldiener Lorenz auszusprechen. Nach Lage der Sache muss sich während der Nachtzeit irgend eine Person in die betreffenden Zimmer Zutritt verschafft haben und durch fahrlässiges Wegwerfen von angebrannten Streichhölzern, - was daraus zu schliessen ist, dass mir zwei angebrannte Hölzchen am Fußboden in unmittelbarer Nähe der betreffenden Kästen vorgefunden wurden, - den Brand verursacht haben. Nach Lage der Sache könnte dies also nur der Heizer Freudenberg gewesen sein, doch sind irgendwelche bestimmte Anhaltspunkte für diese Annahme nicht vorhanden und es ist demselben daher hierüber Vorhalt nicht getan worden.

Ges. Schlegel Leo Lux, Pol.-Insp. Gendarm 611

In diesem Fall konnten die Ermittlungen keinen konkreten Schuldigen ausfindig machen, so dass der Kriminalgendarm August Klos am 9.7.08 die Akten nur mit Vermutungen zu den ihren legen konnte.

Die in vorliegender Sache angestellten Erörterungen, haben zur Aufklärung der Brandursache und zur Ermittlung des Täters nicht geführt. Der in der Anzeige erwähnte Heizer Freudenberg dürfte ganz ausser Frage kommen, denn dieser ist von 100 nachmittags ab in der grossen Kunstausstellung beschäftigt und kehrt erst gegen 12 Uhr nachts in seine Wohnung zurück. Seine Wohnung ist im Kellergeschoss, genannter Schule gelegen, wenn er diese erreichen will, so kommt er nicht in den Flügel, wo die Klassenzimmer gelegen sind. Freudenberg stellt auch entschieden in Abrede, dass er nach seiner Rückkehr aus der Ausstellung nochmals ein Klassenzimmer betreten habe. Aller Wahrscheinlichkeit nach, hat ein Lehrer nach Schluss der Schulstunde geraucht und das noch nicht völlig verlöschte Streichholz in den Kasten geworfen, wodurch schliesslich das darin befindliche Papier in Brand geraten ist. Irgend ein Schaden ist nicht entstanden.

Damit wurden die vorliegenden Akten dem Feuerpolizeiamte zur Kenntnisnahme "ergebenst" übersandt.

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