Die folgende Episode

... beschreibt uns weitere Einblicke in den allgemeinen Ablauf eines Schultages um das Jahr 1919. Es ergeben sich Rückschlüsse auf die damalige Schulausstattung ebenso wie eine kleine Einsicht in die Erlebnisse, das Tun und die Streiche der Schüler dieser Zeit.

Dresden 25. Volksschule, 28. August 1919 - An den Rath zu Dresden, Schulamt

Gestern, am 27. August, haben die Klassen der 52. Volksschule, die in unserem alten Gebäude von ihnen seit Ostern 1919 benutzten Klassenzimmer geräumt. Nach ihrem Weggang hat der Schuldiener der 25. Volksschule Herr Kupfernagel, die Zimmer 17 und 19 im ersten Obergeschoß in schändlicher Weise beschmutzt vorgefunden. Die Tintenfässer in den Schulbänken waren teils umgestülpt, teils herausgenommen , mit ihrem Inhalt an die Wände geworfen und zertrümmert und zwei Wände der gesamten Zimmer dadurch mit großen Tintenflecken und Tintenspritzern verdorben. Die Splitter der zerschlagenen Tintenfässer lagen am Boden. Auch die Schulbänke waren in gröblicher Weise mit Tinte beschmiert. Am Nachmittag hat der Schuldiener mir die beschmutzten Räume gezeigt. Nach Besichtigung habe ich dieselben in dem vorgefundenen Zustand wieder verschließen lassen. Ich habe Herrn Direkter Rößner von der 52. Volksschule von dem Geschehen benachrichtigt. Derselbe hat heute früh von dem angerichteten Schaden sich überzeugt. Ich gestatte mir, dem Schulamt von dem Vorgefallenen hierdurch Meldung zu machen und dasselbe bitten das Weitere zu veranlassen. Den Tätern sind wir vermutlich bereits auf der Spur. Wenn den erstatteten Kinderaussagen Glauben zu schenken ist, was die weitere Untersuchung wohl ergeben wird, dürften zunächst zwei Knaben der 52. Volksschule Klasse IV Brosch und Jakob mindestens als Mitbeteiligte in Frage kommen.

Den Maßnahmen des Schulamtes entgegensehend zeichnet hochachtungsvoll Oberlehrer E. Großmann, stellvertretender Schulleiter

Beschluß des Rates zu Dresden, Schulamt vom 29. August 1919

  • An Herrn Direktor Rößner mit den Ersuchen um Aussprache darüber, weshalb die Kinder nicht unter Aufsicht gestanden haben,
  • Abschrift an das Hochbauamt mit dem Ersuchen um Bezifferung der Schäden.

Sicher befand sich der Leiter der 52. Volksschule Herr Direktor Rößner in einer ihm sehr peinlichen Situation, doch trug er konsequent zur Aufklärung der Taten seiner Schüler bei, ohne allerdings einen kleinen Seitenhieb auf den Schuldiener der 25. Bezirksschule Herrn Kupfernagel zu vergessen.

52. Volksschule, den 1.9.1919

Erst heute, wo die Knaben der IV. Klasse wieder versammelt sind, konnte die Untersuchung über das bedauerliche Vorkommnis, von dem die vorliegende Anzeige spricht, vorgenommen werden. Wenn ich zunächst einerseits meiner Entrüstung über dasselbe Ausdruck verleihe, so muß ich andererseits auch betonen, daß der Schule der Vorwurf der Nichtbeaufsichtigung der Kinder nicht gemacht werden kann, da bei der erfolgten Abzweigung der Filiale dem Oberlehrer Küchler als dem ältesten unter den in ihr arbeitenden Lehrern die Oberaufsicht über die äußere Ordnung und jedem einzelnen Klassenlehrer die Verantwortung für seine Klasse übertragen worden ist und die Anordnungen befolgt worden sind.Die Untersuchung hat nun folgendes ergeben. Lehrer Tauscher, der in Vertretung des beurlaubten Klassenlehrers an diesen Tage die Knabenklasse IV die beiden letzten Lektionen unterrichtet hat, entließ die Klasse planmäßig 1230 Uhr, in dem er sie vieren im Korridor antreten ließ und unter seiner Aufsicht in geschlossenem Zuge nach militärischer Art, wie die Kinder selbst angaben, die Treppe hinab bis vor das Schulhaus führte, wo sie sich dann nach allen Richtungen hin auf ihren Heimweg verteilten.

Eine Anzahl sind, als sie sich der Aufsicht ihres Lehrers entzogen sahen, umgekehrt und unter ihrem Anführer, Armin Jacob, der, wie er geäußert, "sich von seinem Klassenzimmer verabschieden müsse" als Mitläufer und Mittäter wie sich ergab, ins Haus zurückgegangen und haben den Unfug ausgeführt. Dem Schüler Jacob ist nachgewiesen, daß er in Zi.19 drei gefüllte und ein leeres und in Zi.17 ebenfalls drei gefüllte Tintenfässer an die Wand geworfen hat, während die übrigen Angeklagten Albert Specht, Herbert Exner, Joh. Bachmann, Erich Fritzsche und Karl Gärtner ein bez. mehrere Tintenfässer mit Inhalt umgestülpt haben. Alle haben ihre Uebeltat eingestanden. Keiner von den übrigen Klassenführern in der Filiale hat von dem Vorkommnis, das sich nach Schulschluß in der Zeit bis 1 Uhr abgespielt hat, etwas bemerkt. Daß die Jungen, die doch auch gelärmt haben, nicht dem Schuldiener in die Hände gelaufen sind, der nach §18 seiner Dienstanweisung die Zimmer zuzuschließen hatte, ist sonderbar.

  • Die Eltern der angeklagten Schüler sind folgende: Tischler und Invalid Gustav Jacob, Berggießhübler Str.7II d, die Mutter Emilie geb. Schmidt, hat Neue Gasse 21 ein Altwarengeschäft
  • Karl Specht, Amtsgerichtssekretär, Wittenberger Str. 58II
  • Franz Exner, Steinsetzer, Schandauer Str. 22dII
  • Karl Bachmann, Obermaschinenmeister, Weesensteiner Str. 14I
  • Erich Fritzsche, Mechaniker, Vogler Str. 33II
  • Susanne verw. Gärtner, Schandauer Str. 88 bei Bäckermeister Lang

Dir. Rößner Die Mitteilung des Hochbauamtes erwartend!

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