1. Der Bau der Schule
Am 28. März 1881 beschlossen die Stadtverordneten der Stadt Oschatz den dringend notwendig gewordenen Neubau eines Schulgebäudes. Der Leipziger Architekt Ottomar Jummel plante und leitete mit sehr viel Sorgfalt und Sachverstand dessen Bau. Bereits 1878 hatte die Stadt das dafür notwendige Grundstück, den Garten des ehemaligen Sommer'schen Gutes an der Bahnhofstraße, für 55 000,- Mark erworben. Die eigentlichen Gebäude des Gutes werden heute als Grundschule genutzt. Nach Beschluss des Oschatzer Schulausschusses sollte das neue Schulhaus über 30 Klassenzimmer und 6 Reserveklassenzimmer verfügen, in denen die Normschülerzahl von 50 unterrichtet werden konnte. Außerdem wurden Mädchen (linke Schulhälfte) und Jungen (rechte Schulhälfte) vollständig getrennt voneinander untergebracht und beschult. Die Übergabe der fertig gestellten Schule erfolgte am 25. Mai 1883, ihre feierliche Einweihung knapp zwei Monat später, am 19. Juli.
2. Von der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges
Während der Zeit der Weimarer Republik änderte sich auch einiges in Sachsens Schulen, so wurde die Normschülerzahl auf 35 beschränkt und man bemühte sich, leider noch erfolglos, darum, die Prügelstrafe abzuschaffen. Bis 1930 wurden "straffällige" Schüler deshalb vom Hausmeister im Keller abgestraft. Die Abschaffung dieser sehr umstrittenen Erziehungsmaßnahme gelang erst gänzlich nach dem Zweiten Weltkrieg.
In den zwanziger Jahren fand in den Räumen unsere Schule zusätzlich noch der Unterricht der Berufsschüler statt, denn die heutige Berufsschule war Realschule und das jetzige Thomas-Mann-Gymnasium bis 1928 Lehrerseminar. Nach den ersten vier gemeinsamen Grundschuljahren konnten geeignete Schüler damals zum Gymnasium wechseln. Die verbleibenden wurden in Auswahl- und Normalklassen geteilt.
Zu Beginn der 1930er Jahre war es dann auch in Sachsens Schulen möglich gemischte Mädchen/Jungen-Klassen zu unterrichten. Die Oschatzer Schule war in dieser Hinsicht sehr fortschrittlich.
Mit der Machtergreifung Hitlers beeinflusste auch das nationalsozialistische Gedankengut die Bildung. Die Oschatzer Schule erhielt 1936 den Namen "Hans Schemm", nach dem Gründer des NS-Lehrerbundes Deutschlands.
In den Jahren 1940/41 diente die Schule als Notquartier für ausgesiedelte Deutsche aus Wolhynien und Galizien. Der Unterricht konnte nun nicht mehr im Schulgebäude stattfinden, sondern erfolgte deshalb in anderen Einrichtungen der Stadt. So zum Beispiel in der Remonte-Kaserne, der Zuckerfabrik, der Hartsteingutfabrik, der Waagenfabrik und anderen. Kurz vor Kriegsende 1944/45 bezogen die Internatsschüler des Gymnasiums die erste Etage unseres Schulgebäudes, da das Vordergebäude ihrer bisherigen Unterkunft zum Lazarett umfunktioniert wurde.
Als 1945 der Flüchtlingsstrom aus dem Osten einsetzte, dienten wiederum Teile der Schule zur Unterbringung der vielen Heimatlosen.
3. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wiedervereinigung
Nach der bedingungslosen Kapitulation am 08. Mai 1945 wurde Deutschland in die vier Besatzungszonen gegliedert. Oschatz war der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) unterstellt. Ihr Befehl Nummer 40 vom August 1945 betraf die Schulen und besagte, dass diese sofort wieder zu öffnen seien. Natürlich war dies mit größten Problemen behaftet, denn es mangelte an fast allem, an ausgebildeten Lehrern, Lehrplänen, Schulbüchern, Heften, Nahrungs- und Heizmitteln. Aber mit bewunderungswürdigem Elan und großem Erfindungsreichtum gingen sowohl die Schüler und Eltern als auch die Schulverantwortlichen und Lehrer zu Werke. Natürlich gab es auch auf schulischem Gebiet einige Neuerungen, die diese Zeit charakterisierten. So entfiel zum Beispiel für alle Schüler das Schulgeld und als Fremdsprache wurde Russisch gelehrt. Die Trennung der Mädchen und Jungen wurde in den Klassenstufen von unten nach oben allmählich aufgehoben. Durch die vielen Flüchtlinge aus den Ostgebieten war natürlich auch die Schülerzahl angestiegen und so machte es sich erforderlich, die bis dahin einheitliche Schulverwaltung in zwei separate Schulen zu trennen. So benutzten die Schüler der "Erich-Vogel-Schule" den linken Eingang und die Pestalozzi-Schüler den rechten.
Als erstes Elternforum gründete sich 1948 in Oschatz die Arbeitsgemeinschaft "Freunde der neuen Schule", aus der dann 1950 die ersten gewählten Elternbeiräte entstanden. 1954 wurde mit der Einrichtung der Schulhorte für die beiden Oschatzer Schulen begonnen. Diese erfolgte in zwei Nebengebäuden gegenüber der ehemaligen Post. Zur damaligen Zeit lernten, bedingt durch den Geburtenrückgang der Kriegs- und Nachkriegsjahre, nur 723 Schüler in der Erich-Vogel-Schule und 714 in der Pestalozzi-Schule.
Bis zum Schuljahr 1961/62 stiegen die Schülerzahlen bereits auf 917 und 812 an. Die bis dahin 8 Schuljahre umfassende Mittelschule wurde erstmals 1957 um ein freiwilliges 9. Jahr erweitert. Im Schuljahr 1958/59 wurde der Grundstein für eine "Polytechnische Oberschule" mit einem Unterrichtstag in der Produktion (UTP) gelegt. Die Schülerinnen und Schüler der "Erich-Vogel-Schule" absolvierten diesen in der EKO, die Pestalozzi-Schüler in der Waagenfabrik der Heimatstadt.
Das Jahr 1963 brachte ein neues Schulgesetz und legte für alle Schülerinnen und Schüler eine 10jährige Schulpflichtzeit in der neu geschaffenen "Polytechnischen Oberschule" fest. 11 Jahre später, 1974, wurde die Schule der Gemeinden Collm und Lampersdorf, in der bis dahin die Kinder bis zum 6. Schuljahr unterrichtet wurden, geschlossen. Auch diese Schüler besuchten nun die Oschatzer Schule.
Zum Ende der 1960er Jahre reichte dann die Kapazität der Oschatzer Polytechnischen Oberschulen in der Bahnhofstraße nicht mehr aus und es wurde zunächst eine Neubauschule, die Karl-Liebknecht-Oberschule errichtet und am 06.12.1969 ihren Nutzern übergeben. Im September 1980 folgte dann ein zweiter Schulneubau, der den Namen "Otto Eichler" erhielt.
4. Von der Wiedervereinigung bis ins Jahr 2005
Bis zur Wiedervereinigung blieben diese Schulstrukturen so erhalten und erst mit einem neuen sächsischen Schulgesetz, das am 01.08.1992 in Kraft trat, wurde auch ein neues Kapitel der Geschichte unserer Schule geschrieben. Nachdem nun Schüler mit einem Notendurchschnitt von mindestens 2,0 am Ende des 4. Schuljahres eine Bildungsempfehlung zum Gymnasium beantragen konnten, setzte geradezu ein Run auf diese höhere Bildungseinrichtung ein.
Die beiden Neubauschulen, deren Kapazität für die an den Mittelschulen Verbleibenden genügte, wurden nun in "Mittelschule Oschatz West" und "Mittelschule Oschatz Nord" umbenannt. Den ehemaligen Erich-Vogel-Schulbereich unseres Hauses nahmen nun Grundschüler in Besitz und die Pestalozzi-Schule wurde neben dem aus der ehemaligen EOS Oschatz hervorgegangenen Thomas-Mann-Gymnasium ebenfalls zum Gymnasium.
Im Jahre 1995 verließen die Grundschüler das Schulgebäude und bezogen ihr eigenes in unmittelbarer Nachbarschaft. Der altehrwürdigen Schule wurde eine 1999 beginnende Verjüngungs- und Modernisierungskur verordnet, deren dritter Bauabschnitt im November 2005 seinen Abschluss fand.
Am 09.07.2004 wurde das Schulen-Karussell in unserer Stadt zum vorerst letzten Mal gedreht. Das Pestalozzi-Gymnasium packte seine Koffer und vereinte sich mit dem Thomas-Mann-Gymnasium. Die Mittelschulen West und Nord gaben ihre mittlerweile recht unansehnlich gewordenen Häuser auf und besiedelten das stattliche Gebäude der Schule in der Bahnhofstraße 5. Ein Teil des Gebäudes der Mittelschule Nord wird, solange dies noch erforderlich ist, seit dieser Zeit von den Klassenstufen 5 und 6 des Thomas-Mann-Gymnasiums als Außenstelle genutzt.
Natürlich haben all diese Veränderungen zu viel Unruhe und oftmals auch zu Unzufriedenheit geführt. Doch eines kann man heute wohl kaum bestreiten: Für alle Schüler, egal welchen Schultyps, ob Grundschule, Förderschule, Mittelschule oder Gymnasium, hat unsere Stadt mit den rekonstruierten Gebäuden und Einrichtungen Bedingungen geschaffen, die eine wichtige Plattform für erfolgreiches Lernen und ein würdiger Spiegel einer modernen Gesellschaft sind.